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Der Einsatz von Basismaterial aus PTFE/Glasgewebe
Es ist doch erstaunlich, in der Leiterplattenbranche häufig Aussagen wie folgt zu hören: „Wir
setzen kein Teflon-Basismaterial ein, da dieses nur sehr schwierig zu verarbeiten ist“; „Wenn
Teflon-Basismaterial wie FR4 zu verarbeiten wäre, dann …“; „Die Oberflächenaufbereitung von
Teflon-Basismaterial ist zu kompliziert, zu teuer, zu unhandlich, zu …“; „PTFE-Laminate sind zu
teuer“; „Wir haben keine spezielle Linie für Teflon-Schaltungen“; „Wir sind nicht für
Sondermaterialien ausgelegt“; usw.
Was steckt eigentlich hinter diesen Aussagen? Sind sie berechtigt, oder beruhen sie auf
Unsicherheiten bezüglich Basismaterial aus PTFE-Glasgewebe?
Blickt man nicht einmal zehn Jahre zurück, dann waren Basismaterialien auf PTFE (= Polytetra-
fluorethylen, Teflon) tatsächlich Exoten, die nur begrenzt verfügbar waren, und die nur unter
Schwierigkeiten verarbeitet werden konnten. Doch wurden vor allem in den letzten Jahren große
Anstrengungen unternommen, diesen Mythos auszulöschen. In der Vergangenheit waren diese
Basismaterialien vorwiegend dem Militärbereich vorbehalten, und daher auch nur in geringen
Volumen benötigt. Doch seit der ersten großvolumigen kommerziellen Leiterplattenanwendung,
LNBs für Satellitenantennen, hat sich die PTFE-Welt drastisch verändert.
Verarbeitung
PTFE wird im Konsumbereich als Anti-Haftbeschichtung eingesetzt, da es aufgrund der
Molekularstruktur sehr inert ist. Nur durch drastische Mittel läßt sich dessen Oberfläche
aufbereiten. Um in der Leiterplattentechnik eine Lochwandaufrauhung von gebohrten PTFE/Glas-
Basismaterial zur besseren Haftung der Durchmetallisierung zu erzielen, war dies bis vor wenigen
Jahren nur durch durch eine Behandlung mittels Natriumnaphthalat möglich. Bei dieser
chemischen Behandlung kann es bei unsachgemäßer Handhabung zur Knallgasexplosion von
durch die Reaktion freigesetztem Wasserstoffgas kommen. Auch Abwasserbeauftragte eines
Leiterplattenherstellers wünschen sich „bessere“ Chemikalien. Seitdem Plasmaätzanlagen in der
Leiterplattenfertigung eingesetzt werden, können die Lochwände abwasserfrei und
umweltschonend aufbereitet werden. Da viele Leiterplattenhersteller auch flexible und/oder
starr/flexible Leiterplatten fertigen, sind Plasmaätzanlagen heute in der Branche weitverbreitet und
müssen nicht speziell für Leiterplatten aus PTFE/Glasgewebe angeschafft werden. Plasma-
ätzzyklen entweder mit reinem Stickstoff, gefolgt von einer Spülung mit Sauerstoff, oder mittels
Helium/Tetrachlormethan lassen Basismaterialien aus PTFE/Glasgewebe diesbezüglich zu einem
ebenso problemlosen Material wie FR4 werden.
Um eine Lochwandaufbereitung durchführen zu können, muß das Basismaterial im Schritt zuvor
gebohrt werden. Da PTFE im Vergleich zu FR4 sehr weich ist, bedarf es generell geänderter
Bohrparameter, die sich jedoch für die jeweilige Basismaterialtype unterscheiden: Nicht mehr in
der (z.Zt. für neue Designs inaktive) MIL-S-13949H abgedeckte Basismaterialien mit
Dielektrizitätskonstanten von 2.95 – 3.50 sind sogar mit nahezu identischen Bohrparametern wie
FR4 zu bohren: Schnittgeschwindigkeiten von ca. 140 m/min, mit im unteren Lochdurch-
messerbereich höheren Vorschüben nehmen auch hier dem Leiterplattenhersteller die
Unsicherheit des Unbekannten.
Sowohl Hersteller von Basismaterialien und Bohrern haben gemeinsam detaillierte Bohrparameter
erarbeitet, so daß diese an den Bohrmaschinen nur noch eingestellt werden müssen. Die häufige
Forderung nach FR4-Bohrbarkeit von Basismaterialien für Mikrowellenanwendungen zur angeblich
einfachen Verarbeitung ist in der Praxis nicht umsetzbar. Es ist ein Mythos, daß sich
Basismaterialien aus Duroplasten (d.h. warmhärtenden Kunststoffen) generell wie FR4 bohren
lassen. Jedem Leiterplattenhersteller ist heute auch bewußt, daß sich nicht jedes FR4 gleich
bohren läßt: Durch den Einsatz multifunktioneller FR4-Systeme mit höheren, jedoch
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unterschiedlichen Glasumwandlungstemperaturen müssen je nach Basismaterialhersteller
eventuell andere Bohrparameter gefahren werden. Auch wenn es nur geringfügig andere Werte
sind, bedeutet dies andere Einstellungen an den Bohrmaschinen. Doch welchen Unterschied
macht es beim Programmieren, eine Ziffer um den Wert 1 oder 10 zu ändern?
Damit sind die Hauptunterschiede zu FR4 bereits aufgeführt. Weitere Verfahrensschritte, wie
Fotoresistverarbeitung, Ätzen, Durchmetallisieren, Aufbringen von Oberflächenschutz, usw. sind
branchenüblich.
Basismaterialtype Dielektrizitätskonstante
bei 10 GHz
Toleranz Dielektrischer
Verlustfaktor
bei 10 GHz
RF-35 3.50 ± 0.07 0.0018 **
TLC 2.75; 3.0; 3.20 ± 0.05 0.0030
TLE 2.95; 3.0 ± 0.05 0.0028
TLT 2,45; 2.50; 2.55; 2.60;
2.65 *
± 0.04 0.0006 *
TLX 2,45; 2.50; 2.55; 2.60;
2.65
± 0.04 0.0019
TLY 2.17; 2.20; 2.33 ± 0.02 0.0009
CER-10 10 0.0035
* bei 1 MHz
** bei 1.9 GHz
Tabelle 1: Basismaterialien aus PTFE/Glasgewebe (Dielektrizitätskonstante, dielektrischer
Verlustfaktor)
Multilayer
Zur Herstellung von Multilayern gibt es je nach Anforderung mehrere Möglichkeiten: Reine PTFE-
Multilayer sind nur durch Sintern bei hohen Temperaturen machbar. Sind auch im Bereich der
Verbundfolien niedrige dielektrische Werte gefordert, dann läßt sich dies durch FEP- bzw. CTFE-
Folien erreichen. Die weitaus häufigste Multilayervariante ist jedoch die des Hybridmultilayers, bei
der PTFE/Glasgewebe mittels z.B. FR4-Prepregs mit entweder doppelseitigem FR4 oder einem
FR4-Multilayer unter standardmäßigen FR4-Preßbedingungen verbunden wird (Abb. 1). Da bei
diesen Multilayern die vollständig kupferkaschierte, jedoch oxidierte Seite von Basismaterial aus
PTFE/Glasgewebe mit dem FR4-Prepreg verpreßt wird, erfolgt keine direkter Kontakt mit dem
PTFE, so daß die Richtlinien für reine HF-Multilayer hier nicht zur Anwendung kommen.
Im Rahmen einer Gesamtkostenbetrachtung sind dadurch beträchtliche Kosteneinsparungen
möglich: Anstelle von mehreren Digitalleiterplatten und einer HF-Leiterplatte, die alle durch
Steckverbinder, Kabel, usw. miteinander verbunden sind, ist es hiermit möglich, alles auf einem
Hybridmultilayer zu gestalten. Ein weiterer Vorteil ist der damit gewonnene Platzersparnis im
Gehäuse. Neueste Designs gehen sogar teilweise dazu über, reine HF-Lösungen als
PTFE/Glasgewebe-Einsätze in FR4-Leiterplatten zu gestalten.
Erzielte Vorteile sind mannigfaltig: Einsparungen an Steckverbindern, Kabeln, usw., um reine HF-
Schaltungen mit Digitalschaltungen zu verbinden, Platzersparnis, Steifigkeit des Multilayers, vor
allem in Hinblick auf SMD-Bestückung, usw. Die PTFE-Basismaterialhersteller stellen dazu
detaillierte Unterlagen zur Verfügung.